Unruhe der Erinnerung
Unbekümmerter Umgang mit der Tradition
Digitalprints · Fotos · Postkarten
von Eckard Alker
Unruhe der Erinnerung

Vielleicht ein Zeitpunkt, die Schubladen im Atelier zu öffnen, die bis
heute meine »Spielereien« vor fremden Blicken bewahrten. Alle
möglichen Dinge, die im Laufe der Zeit skizziert wurden, danach oft
nicht weiter beachtet - gesammelt - notierte Fingerübungen, angereichert mit visuellen
Energien, später aus meinem Blickfeld entfernt.
Blätter waren entstanden mit flüchtigen Ideen, als Zeichnungen,
Collagen, Fotos, Objekte, mit Impulsen zur Findung meiner Bilderwelt.
Erkundungen die zum Beispiel klärten, was beim Motivwechsel von einem
Medium in ein anderes geschieht. Bereicherung - Nuancierung - Zweifel.
»Arbeiten vom Großen ins Kleine, vom Algemeinen ins Besondere, vom
Umriss zur Füllung, vom Kompakten zum Aufgespaltenen«, so notierte
Paul Hindemith seine Arbeitsweise.
Gedankenverlorener Blick auf diesen Fundus von »Erinnerungen«.
Jetzt bekamen sie eine Form für diese geordnete Ansammlung von
geborgenen Blättern.
»Die Erinnerung ist unsere Kultur. Sie ist die geordnete Sammlung
unserer Gedanken. Nicht nur unserer eigenen Gedanken: sie ist auch die
geordnete Sammlung der Gedanken der anderen Menschen, aller Menschen,
die uns vorausgegangen sind. Die Erinnerung entstand in dem
Augenblick, da der vertriebene Adam die Schwelle des irdischen
Paradieses überschritt… Also entstand die Erinnerung, damit sich
durch sie, von Mensch zu Mensch, der Wunsch nach dem verlorenen Gut
fortpflanze.
Am Anfang war die Erinnerung verzweifelt. Aber als sich ihr ein Gott
verliebt näherte, gesellte sich zur Erinnerung die Hoffnung: Aus der
rohen und sehr schmerzlichen Erinnerung an das, was war, entstand der
Wunsch, dass das, was war, wiederkehre. Zu diesem Wunsch kam eine ganz
vage Hoffnung: Dank ihr wurde die leere Sehnsucht zur Tröstung…
Die Kunst ist also aus dem fruchtbaren Schoß der Erinnerung
hervorgegangen…
Und deswegen wird in der Kunst, und nur in der Kunst, die Erinnerung
an das ursprüngliche Gut wieder ganz lebendig, deutlich, und wird noch
einmal wunderbarerweise Gewissheit…
Die Erinnerung verschönert die Formen; sie erweitert sie nach allen
Seiten über ihren gegenwärtigen Zustand hinaus. Durch die Erinnerung
sehen wir, wenn wir die Bilder anschauen, das, was diese Bilder waren,
und das, was sie sein werden; es ist die Poesie des Blicks.«
Alberto Savinio
Eckard Alker
1936 in Ratibor geboren, lebt und arbeitet in Bergisch Gladbach
1955-1960 Studium an den Kölner Werkschulen, Malerei und Grafik
seit 1960 Ausstellungen und Beteiligungen im In- und Ausland
1979-1991 Lehrauftrag ander Fachhochschule für Kunst und Design Köln
Förderpreis des Landes Niedersachsen, Kulturpreis Schlesien, Kunstpreis der Kaufhof AG